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Atomausstieg: Ein Dauerthema bekommt neue Brisanz

Nach dem Reaktorunglück 2011 in Fukushima flammte in Deutschland die Forderung nach einer möglichst schnellen Abschaltung der Atomkraftwerke auf. Was den Atomausstieg in Deutschland angeht, scheiden sich die Geister vor allem an einer Frage.
Wodurch sollen die fehlenden Kapazitäten ersetzt werden? Erneuerbare Energien, eine Förderung klimaschädlicher Kohlekraftwerke oder den Import von Strom aus anderen Ländern, die vielleicht ihrerseits Atomkraftwerke nutzen?
Der geplante Atomausstieg und die Laufzeitverlängerung
Der Atomausstieg ist ein Thema, das immer wieder erneut aufgeworfen wird, wenn es zu Pannen und Störfällen kommt, etwa nach dem Unglück von Tschernobyl oder durch die Ereignisse in Japan. 1999 beschloss die damals rot-grüne Regierung einen Gesetzesentwurf zum Ausstieg aus der Kernenergie, der auch eine Wiederaufbereitung verbot. Das Gesetz trat 2002 in Kraft und besagt, dass keine Atomkraftwerke neu gebaut werden dürfen und die Laufzeit der bestehenden Kraftwerke begrenzt wird. 2010 jedoch wurde von der Koalition aus Union und FDP die Laufzeitverlängerung für deutsche Atomkraftwerke verabschiedet. Durchschnittlich zwölf Jahre länger als zuvor beschlossen sollten die Kraftwerke am Netz bleiben.
Ein Jahr später kam es in Japan zum GAU und prompt ruderte man in der Politik wieder zurück: Drei Monate nach der Katastrophe wurde die Laufzeitverlängerung wieder aufgehoben. Somit besteht aktuell ein Zeitplan, der die Abschaltung des letzten Kernkraftwerkes bis 2022 vorsieht.
In Österreich wurde schon 1978 per Volksabstimmung beschlossen, dass ein gerade neu gebautes AKW nicht in Betrieb genommen werden sollte, und seit 1999 ist unser Nachbarland per Verfassung AKW-frei.
Der Weg zum AKW-freien Deutschland
Somit besteht aktuell ein Zeitplan, der die Abschaltung des letzten Kernkraftwerkes bis 2022 vorsieht. Zwischen 1957 und 2004 wurden in Deutschland insgesamt 110 kerntechnische Anlagen in Betrieb genommen. Nicht alle davon waren zur Energiegewinnung gedacht, an manchen Standorten wurde auch Forschung betrieben. Zur Zeit des Vorfalls in Fukushima befanden sich insgesamt noch 17 deutsche Meiler am Netz. Die sieben ältesten Kraftwerke verloren mit der darauffolgenden Novellierung des Atomgesetzes ihre Betriebsgenehmigung. Mitte 2017 waren noch acht deutsche Kernkraftwerke in Betrieb. Ende 2017 geht Gundremmingen B, Ende 2019 Philippsburg 2 vom Netz. Am längsten Strom liefern dürften die Meiler Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim – nämlich jeweils bis Ende 2022.
Wann ist ein Atomausstieg möglich?
Bis wann, und vor allem wie, ein kompletter Ausstieg aus der Atomkraft in Deutschland möglich ist, darüber streiten Umweltverbände, Politiker und Energiekonzerne. WWF und Öko-Institut sind der Ansicht, bis 2020 könne auf Kernenergie verzichtet werden, und zwar rein durch den Einsatz erneuerbarer Energien und Gas. Das Fraunhofer-Institut nennt 2025 als Jahreszahl. Interessant ist auch, dass die Internationale Energie Agentur (IEA) 2007 den deutschen Atomausstieg noch kritisierte, weil die Folgen nicht absehbar seien. 2013 revidierte die IEA diese Einschätzung aber mit der Begründung, die Energiewende in Deutschland sei gut organisiert und langfristig ein sehr guter Weg. Die Industrie dagegen hat wirtschaftliche Bedenken und warnt vor einem vorschnellen Atomausstieg, wobei meist drohende Versorgungsprobleme als Begründung angeführt werden, obwohl deutscher Strom in nicht kleinen Mengen ins Ausland exportiert wird – gerne auch zu Spitzenzeiten wegen der besseren Preise.
Der Atomausstieg und die erneuerbaren Energien

Für einen Atomausstieg ist ein rascher Ausbau der regenerativen Energiequellen unerlässlich. Erneuerbare Energien hatten 2010 einen Anteil von rund elf Prozent an der gesamten Energieversorgung, beim Strom waren es 17 Prozent. 2018 lag der Anteil von Ökostrom am Stromverbrauch schon bei 38 Prozent. Ein Problem beim Atomausstieg besteht darin, dass die Erneuerbaren von Jahreszeit und Witterung abhängig sind. Es muss jedoch eine konstante Stromversorgung gewährleistet werden. Das bedeutet unter anderem, dass Möglichkeiten gefunden werden müssen, den regenerativ erzeugten Strom möglichst effizient und ohne große Verluste zu speichern. Dazu gibt es bereits Ansätze, die beispielsweise vorsehen, Strom aus Sonnenenergie oder Windkraft mittels chemischer Prozesse in Gas umzuwandeln und im Gasnetz zu speichern. Zwar ginge dabei recht viel Energie verloren, Überschüsse könnten jedoch verwertet werden.
Auch direkte Möglichkeiten der Stromspeicherung werden immer besser und vor allem im Zuge von Photovoltaik und e-Mobilität vorangetrieben. Dabei müssen Energiespeicher nicht gewaltig groß sein, es reicht, wenn es viele sind: So werden bei einer Stromcloud hunderte Haushalte mit PV-Anlage und zugehörigem Speicher vernetzt, um Überschüsse auffangen zu können und unabhängig vom Zukauf von Strom aus dem öffentlichen Netz zu werden.
Für den Atomausstieg werden Brückentechnologien benötigt
Ein weiterer wichtiger Faktor beim Atomausstieg sind Brückentechnologien, die helfen, die erneuerbaren Energien zu ergänzen. Noch immer kommt der größte Teil des Stroms im Strommix aus Braun- und Steinkohle; die Verbrennung fossiler Stoffe zur Energiegewinnung wirft aber das Problem der Klimaschädlichkeit auf, da dabei große Mengen CO2 entstehen. Viele befürchten daher, dass diese klimaschädlichen Technologien durch einen Atomausstieg wieder vermehrt gefördert werden. Gas und Kraft-Wärme-Kopplung sind ebenfalls Themen, wenn es um Alternativen zur Kernkraft geht: Beispielsweise erhofft die Gasbranche sich einen Zuwachs, Gaskraftwerke könnten eine Brückentechnologie darstellen. Ebenso im Gespräch ist die dezentrale Stromerzeugung durch kleine Blockheizkraftwerke. Diese können je nach Leistung in Gewerbegebäuden, aber auch in Privathäusern zum Einsatz kommen und könnten zu einem "virtuellen Kraftwerk" vernetzt werden.
Wie steht es um den Rückbau?
Einen Reaktor kann man nicht einfach auf Knopfdruck herunterfahren. Die Brennelemente sind für Jahre noch so heiß, dass wie weiterhin am Standort im Abklingbecken gelagert und gekühlt werden müssen. Die jüngst abgeschalteten Meiler sind somit zwar vom Netz, aber bei weitem noch nicht aus der Welt. Frühestens nach fünf Jahren ist ein Umlagern der Brennelemente und ein Rückbau möglich, der Rückbau dauert rund 10 bis 20 Jahre. Die meisten AKW, die sich bereits im Rückbau befinden, wurden schon vor Fukushima abgeschaltet. Die Planung dazu obliegt dem Kernkraftwerksbetreiber; er muss den Vorgang durch die Atomaufsichtsbehörde genehmigen lassen.
Beim Rückbau fallen hunderttausende Tonnen Bauschutt an, viele Teile davon leicht bis schwer strahlend und somit kritisch in der Demontage und Entsorgung. Teilweise muss hier mit Robotern gearbeitet werden, da die hohe Strahlung den Menschen gefährden würde. Gut verpackt wird der strahlende Müll schließlich zwischengelagert, denn die Suche nach einem sicheren Endlager ist ein weiteres großes Problem.
Der Atomausstieg wird noch lange ein Thema sein
Nicht vergessen werden darf auch, dass ein Abschalten der Atomkraftwerke nicht mit einem Schlag alle Risiken beseitigt. Es dauert Jahre, bis die Brennelemente abgekühlt sind, danach stellt sich weiterhin die Frage: Wohin mit dem Atommüll? Bisher ist die Endlagerfrage in Deutschland noch immer nicht gelöst. Der Salzstock Gorleben ist seit längerem als mögliches Endlager im Gespräch. Erkundungen zeigten jedoch die Gefahr durch Gase, die eine Instabilität des Salzstocks zur Folge haben können. Aus der Schachtanlage Asse muss der gelagerte Atommüll geborgen werden, weil die Anlage nicht sicher ist und sich Risse gebildet haben. Der Atomausstieg wird uns also noch sehr lange beschäftigen, selbst wenn einmal passende Endlager gefunden sind.
Einer Einschätzung der zuständigen Endlagerkommission zufolge ist damit zu rechnen, dass sich Einlagerung des Atommülls und Versiegelung der Endlager bis mindestens 2095 hinzieht, wobei das Vorhaben durchaus auch hundert Jahre länger dauern kann. Gleichzeitig prognostiziert die Kommission, dass die laufenden Kosten am Ende 50 Milliarden Euro übersteigen werden. All diese Zahlen lassen eigentlich nur einen Schluss zu: Wenn der Atomausstieg sich weiter verzögert, werden auch unsere Urenkel noch keinen Schlussstrich darunter ziehen können.
Atommüll-Endlager: Wohin mit dem radioaktiven Müll?
Der Atomausstieg ist längst beschlossen, doch die Suche nach einem Endlager kann noch sehr lange dauern. Erst 2016 wurde die Suche nach einem Standort zur Lagerung hochradioaktiven Abfalls per Gesetz neu aufgerollt. Eine der Hauptakteure ist dabei die Bundesgesellschaft für Endlagerung.
Erneuerbare Energien: Wasser, Wind, Sonne
Erneuerbare Energien sind der große Hoffnungsträger, wenn es um die umweltschonende Energieversorgung der Zukunft geht. Sonne, Wasser und Wind stehen quasi in unbegrenztem Ausmaß zur Verfügung und liefern Energie, die im Gegensatz zu Kohle, Gas und Öl nicht zur Neige geht.
Kohleausstieg: Das Ende einer Ära
Der Begriff "Kohleausstieg" umschreibt die Absicht Deutschlands, die Energieversorgung langfristig ohne den Abbau von Kohle zu sichern. Kohle gilt als besonders klimaschädlich. Auf der anderen Seite hängen viele Arbeitsplätze insbesondere an der Braunkohle.
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