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Grubenunglück: Gewerkschaft spricht von Mord
Das Grubenunglück in Soma sorgt nicht nur für Trauer und Bestürzung, auch Wut und Empörung sind in der Türkei deutlich spürbar. Während Angehörige verzweifelt auf Informationen warten, sprechen die Gewerkschaften von Mord. Die Zahl der Toten soll sich laut Regierungschef Erdogan auf 232 erhöht haben.

Istanbul (dpa/AFP/red) - In der türkischen Bergarbeiterstadt Soma warten verzweifelte Angehörige auf Nachrichten aus der Tiefe der Kohlestollen. Lebendig oder tot, höchstes Glück oder tiefe Trauer? Vor laufenden Fernsehkameras werden am Mittwoch weitere rußverschmierte Opfer des katastrophalen Grubenunglücks durch ein Spalier der Sicherheitskräfte zu Krankenwagen getragen.
Auf 232 Opfer hat sich die Zahl der Todesopfer bis zum Mittwochnachmittag erhöht. Die Zahl nennt Regierungschef Recep Tayyip Erdogan, nachdem er an den Katastrophenort geeilt ist, wo Schock und Trauer und Wut auf die Behörden regieren.
Wettlauf gegen die Zeit
Die Grube in Soma ist einer der größten Arbeitgeber der Region in der Provinz Manisa. Rund 6.500 Kumpel arbeiten hier. Beim Schichtwechsel am Dienstagnachmittag befinden sich mehrere hundert von ihnen in der Grube, als rund 400 Meter unter Tage ein Transformator explodiert und in Brand gerät. Der Strom in der Grube fällt aus, die Aufzüge und die Luftzufuhr für die Arbeiter funktionieren nicht mehr. Tödliches Kohlenmonoxid breitet sich in der Grube aus.
Mehrere hundert Männer sind bis zu zweitausend Meter tief unter der Erdoberfläche und vier Kilometer vom Grubeneingang entfernt gefangen. Für die Opfer und die Retter beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, den viele in dieser Nacht verlieren sollen.
Gewerkschaften empört
In die Trauer mischt sich am Tag nach dem Unglück helle Empörung. Nicht nur die Gewerkschaften werfen der Betreibergesellschaft Soma Kömür vor, Profit sei im türkischen Bergbau einmal mehr vor Sicherheit gegangen. Das Unglück sei kein Schicksal, sondern von Menschen verschuldet.
Dabei soll die islamisch-konservative Regierungspartei AKP eine schützende Hand über die Betreiberholding gehalten haben. Mit ihrer Mehrheit war Ende April im Parlament ein Antrag der Opposition, die eine Kontrolle in Soma durchsetzen wollte, abgelehnt worden.
Bergwerke privatisiert
Im September 2012 habe der Chef der Soma Holding, Alp Gürkan, in einem Interview gefeiert, dass er die Kosten in dem Bergwerk nach dessen Übernahme aus Staatsbesitz deutlich habe senken können, berichtet die Zeitung "Hürriyet Daily News". Die Produktionskosten pro Tonne Kohle seien von bis zu 140 US-Dollar (knapp 102 Euro) pro Tonne auf nun knapp 24 US-Dollar (knapp 17,50 Euro) gesenkt worden.
"Die staatlichen Unternehmen bekommen vom Staat nicht die nötigen Kredite und haben sich entschlossen, Geschäftsfelder an die Privatwirtschaft zu geben und Förderabgaben zu kassieren", sagte er noch im März der Fachpresse. "Das ist eine sehr gute Idee, die für den Kohlesektor vorteilhaft war."
Vorwurf: Kein Unfall, Massenmord
Kani Beko, Vorsitzender des Gewerkschaftsdachverbandes Disk, spricht von "Massenmord". Als "größte Mordtat in der Arbeitswelt" verurteilt Cetin Uygur, ein Bergbauingenieur und früherer Vorsitzender einer Bergarbeitergewerkschaft, die Katastrophe. "Mörder" haben Protestierer auch auf die Istanbuler Zentrale von Soma gesprüht. Auf der Einkaufsstraße Istiklal sitzen Demonstranten mit geschwärzten Gesichtern. "Kein Unfall, Massenmord", steht auf einem Plakat.
Sie spielen damit auch auf Äußerungen der Regierung nach einem Grubenunglück vor vier Jahren an, die als beschwichtigend empfunden werden. Die Toten hätten nicht leiden müssen und seien einen schönen Tod gestorben, hatte der damalige Arbeitsminister Ömer Dincer gesagt, wohl um den Schmerz der Angehörigen zu mildern. Vom Tod als "Schicksal" von Bergarbeitern sprach Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan.
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